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WEBRA Fein-und Modelltechnik, Berlin. Geschichte von 1946 bis 1984.
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  ________ Jochen Schneider________

In den Wirren der Nachkriegszeit versucht der Ingenieur Werner Martin Bragenitz, Jahrgang 1914, wohnhaft in Falkensee bei Berlin, wieder Fuß zu fassen. Bragenitz war vor dem Krieg bei der Fa. Siemens als Mechanikermeister und Betriebsingenieur tätig. Er gründet, wahrscheinlich bereits im ersten Nachkriegsjahr (1946), die Firma „Feintechnik, Zahnradfräserei und Feinmechanik“ mit Sitz in Berlin- Spandau, Päwesiner Weg 19. Die Firma ist spezialisiert auf feinmechanische Bauteile, die im Auftrag anderer Firmen hergestellt werden. Bragenitz ist somit von seinen Auftragebern abhängig, was für den Bestand der Firma nicht ohne Risiko ist. Sein Betreben ist es daher, in seiner feinmechanischen Firma selbst Produkte zu entwickeln und herzustellen.
Bragenitz nimmt den Siemens- Kollegen Senninger als Teilhaber auf und versucht mit ihm, Kleindieselmotoren zu produzieren und zu vertreiben. Es handelt sich um Motoren von 0,5 bis 10 cm3, die in der Firma „ Bragenitz & Senninger“, Berlin- Spandau, Päwesiner Weg 19 hergestellt werden. Dies kann man einem einseitigen Prospekt entnehmen, in dem alle Daten der „BSG- Kleindieselmotoren“ zusammen gefasst sind. Aber da nie etwas näheres über diese Motoren bekannt wurde, muss man davon ausgehen, dass dem Vorhaben kein Erfolg beschieden war. Senninger bleibt nicht lange in der Firma. Wann genau und wie lange er tatsächlich mit Bragenitz zusammen gearbeitet hat, ist nicht festzustellen.

Trotz der fast unüberwindbaren Schwierigkeiten wegen der, auf die Währungsreform im Jahr 1948 folgende Blockade Berlins (1948/49), versucht es Bragenitz mit der Entwicklung eines weiteren Modellmotors, dem er die Typenbezeichnung Webra 2,46 gibt. Er orientiert sich dabei an englischen und amerikanischen Modellmotoren. Das Konstruktionsprinzip ist überzeugend einfach und über viele Jahre richtungsweisend: Das Kurbelgehäuse, aus Aluminium- Spritzguss hergestellt, ist gleichzeitig Träger für die Laufbuchse, den Vergaser und das Lager für die Welle. Am oberen Ende der Laufbuchse sitzt der Gegenkolben. Auf die Laufbuchse ist ein Kühlkopf aufgeschraubt. In diesen ist das Gewinde für den Knebel eingeschnitten, mit dem der Gegenkolben und somit die Kompression eingestellt werden kann. Der Treibstoff gelangt über eine Längsbohrung in der Welle vom Vergaser in das Kurbelgehäuse. Die Zündung erfolgt durch Kompression des Treibstoffgemischs. Alles in allem nur etwa 15 Teile, die ohne Aufwand mit spanabhebenden Maschinen hergestellt werden können. Das Markenzeichen für diesen Motor, „Webra“, bildet Bragenitz, wie er dem Autor versicherte, aus Anfangsbuchstaben seines Namens: Werner Martin Bragenitz.

1949 beschäftigt Bragenitz in seiner Firma bereits drei Mitarbeiter.

Es ist, für damalige Verhältnisse, ein unermessliches Wagnis, sich mit der Herstellung eines solchen Erzeugnisses zu befassen, gibt es doch zunächst nur geringe Absatzmöglichkeiten. Der Motor wird 1950 auf der Industriemesse in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Man belächelt Bragenitz ob seiner „Spielerei“. Zunächst ist die Resonanz gering. Die Bastlerzeitschrift „Mechanikus“, selbst noch am Anfang ihrer Entwicklung stehend, veröffentlicht in ihrer Novemberausgabe 1951 eine kurze Beschreibung des Motors und macht ihn damit unter den Lesern bekannt. Und auch der Leserschaft des „Ikarus“ wird der Motor in der Ausgabe 11/51 vorgestellt.

Obwohl unter primitivsten Umständen hergestellt, ist der Webra 2,46 ein großer Wurf und von Anfang an ein überzeugendes Präzisionsprodukt. Einfacher kann man einen Verbrennungsmotor nicht herstellen. Ganz im Gegensatz zu den bis dahin gebräuchlichen Modellmotoren mit Zündkerze und anfälligem Zündunterbrecher und der schwergewichtigen Batterie, die als Stromlieferant für den Zündfunken im Modell verbleiben musste.

In der Nachkriegszeit entwickelt sich aber schon bald unter den Modellbauern einen großen Bedarf an Motoren. So wird der Motor schnell, als leistungsstarker Antrieb und ob seiner hochwertigen Qualität bekannt; auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Nach vielen ergebnislosen Versuchen hat Bragenitz die für sein wirtschaftliches Bestehen ersehnte Marktlücke gefunden und kann sie mit einem hochwertigen Produkt füllen.

Der Absatz des Webra 2,46 erfolgt hauptsächlich über die „Walter Weichler o. HG“, Berlin W 15, Uhlandstraße 46. Diese Gesellschaft hat sich anfänglich auf den Vertrieb englischer Motoren, Baukästen und Fernsteuerungen in der BRD spezialisiert und nimmt nun auch den Webra 2.46 in das Programm auf. Weichler wirbt insbesondere mit Modellflug- Schiffs- und Autorennveranstaltungen für seine Produkte. Bei diesen Veranstaltungen taucht immer häufiger ein bestimmter Zuschauer auf: Es ist ein junger Mechaniker: Günther Bodemann, Jahrgang 1921. Bodemann arbeitet bald bei Bragenitz in der Produktion.(1950?) Nebenbei beschäftigt er sich aber auch mit dem Entwurf bzw. der Konstruktion von Modellmotoren. Er zeigt sich bald, dass er dafür eine äußerst glückliche Hand besitzt.

Anfang 1951 stößt der Engländer Eric Tom Spivey zu Weichler. Dieser besitzt gute Geschäftsbeziehungen zu seinem Heimatland. Damit ist für den Webra 2.46 der erste Schritt über die Grenzen der BRD getan. Walter Weichler scheidet aus der Handelsgesellschaft Mitte 1951 aus und an seine Stelle als persönlich haftender Gesellschafter tritt Werner Martin Bragenitz (HR. 01. 08. 51). Am 13. 3. 1951 erhält Bragenitz den Gebrauchsmusterschutz für einen Kleinst- Verbrennungsmotor. Kurbelgehäuse und Zylinder dieses Motors bestehen aus einem Stück. Der Tank ist um das Kurbellager gelegt, um eine kürze Bauweise zu erzielen. Das Ansaugrohr ist seitlich am Zylinder angebracht, um bessere Frischluftzufuhr und gute Strömungsverhältnisse zu erreichen. Offensichtlich handelt es sich dabei um ein Kolben- gesteuertes System. Ein Motor dieser Bauart ist nie erschienen, so dass sicher ist, dass Bragenitz den Schutz nie in Anspruch genommen hat.

Ab Anfang 1952 trägt die Gesellschaft den Namen “Modelltechnik, Spivey & Bragenitz“. Damit ist auch ein Umzug in neue Räume verbunden. Nun lautet die Anschrift: Berlin W 15 Wielandstraße 23 (HR 26. 02. 1952). Die Motoren werden nach wie vor von Bragenitz in seiner Firma „Feintechnik“ in B.- Spandau, Päwesiner Weg 19 hergestellt.

Noch andere Firmen beschäftigen sich zu dieser Zeit in Berlin mit der Entwicklung und der Produktion von Modellmotoren. Die Firma „BWM, Berliner Werkstätten für Modelltechnik“ beginnt mit der Herstellung mehrerer Motorentypen. Walter Fritsch, Berlin- Lübars baut den „WAF- 1“. Von einer Firma „Der Spielkasten“, Berlin- Schöneberg, Martin- Luther- Str. 61- 66 gibt es Annoncen im Mechanikus, in denen ein Kleindiesel mit 3,7 ccm angeboten wird.

Aber auch in Berlin- Schöneberg, Geneststraße 5 plant man in der Firma „Feintechnik Martin Eberth“ Modellmotoren herzustellen. Der Inhaber, Martin Eberth, Jahrgang 1913, kommt 1949 aus dem Erzgebirge nach Berlin. In Glashütte hatte er bereits im Alter von 22 Jahren eine Feinmechanische Firma gegründet und später, als er sich von seinem Kompagnon getrennt hatte, in Lauenburg eine weitere, die er von 1942 über den Krieg bis 1949 führte.

Der in 15 Jahren angesammelte Erfahrung kommt Martin Eberth sehr zu Gute, als er seine Firma ein Jahr nach der Ankunft in Berlin gründet. ( HR 8.11.1950) Er hält sich mit Aufträgen der Berliner Wasserwerke über Wasser, in dem er feinmechanische Teile, Geräte, Zahnräder, Schnecken usw. herstellt.

Die Entwicklung seiner Modellmotoren steht jedoch noch am Anfang. Man kann es daher durchaus als glückliche Fügung bezeichnen, dass sich Martin Ebert und W. M. Bragenitz im Laufe des Jahres 1950 kennen lernen. Beide sehen eine große Chance darin, die beiden Feintechnikfirmen zu einer einzigen zusammen zu führen. Die Vorteile, ein größerer Kundenkreis, die intensivere Auslastung der Maschinen und des Personals, liegen auf der Hand. So kommen beide zu dem Entschluss, zu fusionieren. Gleichzeitig tritt ein Schwager Eberth’ s, Rudolf Brauer, der neuen Gesellschaft bei. Dies alles wird in einen Vertrag gefügt und am 24. 07. 1951 unterschrieben. Zweck der neuen Firma ist es, wie zuvor in den Einzelfirmen, feinmechanische Erzeugnisse herzustellen.

Bragenitz bringt auch seine Kleindieselfabrikation ein, die in der neuen Firma ein breiteres, sichereres Fundament als bisher erhält. Die erfolgreiche Entwicklung dieses Erwerbszweiges ahnt man damals noch nicht. Für seine bis dahin geleistete Entwicklungsarbeit erhält er als Ausgleich eine vertraglich festgelegte Geldsumme, die ihm in Raten ausgezahlt wird, und zwar DM 0.50 für jeden verkauften Motor. Die neugegründete Firma trägt nun den Namen: „Feintechnik“ Bragenitz, Eberth, Brauer oHG, Berlin- Schöneberg, Geneststraße 5. (HR. 24.11.1951).

Zu dem Personal, dass Bragenitz einbringt, gehört auch Günther Bodemann. Für ihn besteht nun die Möglichkeit, auf einem festeren Fundament als bisher, Versuche auf dem Gebiet der Motorentechnik durchzuführen. Die besseren Bedingungen tragen schon nach kurzer Zeit die ersten Früchte. Das erste Ergebnis von Bodemann’s Entwicklungsarbeit, der Webra 1,5 (Heckflansch) wird im November 1952 in den Zeitschriften angekündigt. Dieser Motor schält sich schnell als der damals stärkste Selbstzünder in der 1.5 cm3- Klasse heraus.


1953
Anfang des Jahres erfolgt eine Änderung in der Gesellschaft: E. T. Spivey kommt als Mitinhaber dazu. In dem entsprechenden Gesellschaftsvertrag vom 14.01.1953 verpflichten sich Spivey und Bragenitz, ihre Vertriebsfirma “Modelltechnik, Spivey & Bragenitz“ rückwirkend zum 31. 12. 1952 aufzulösen (HR. 27.01.53). Das Gesellschaftsvermögen fließt mit allen Aktiva und Passiva in die Firma „Feintechnik“, deren Name erneut umgeändert wird und zwar in „Fein- und Modelltechnik Bragenitz & CO“. (HR. 16.03.1953). Der Zusatz „Modelltechnik“ im Firmennamen verdeutlicht die neue Zielrichtung: Erweiterung des Angebots durch Modellbauartikel. Der Sitz ist nach wie vor in Berlin- Schöneberg, Geneststraße 5. Kurz darauf kommt auf die Gesellschaft die nächste Änderung zu: Der Schwager Eberth’ s, Rudolf Brauer, kündigt seinen Gesellschaftsanteil zum 7. 5. 1953 und verlässt die Firma. (HR 17.10.1953).
Diese doch recht schwerwiegenden Erschütterungen der Geschäftsführung innerhalb eines Jahres haben zum Glück keine merkbaren Auswirkungen auf die Motorenproduktion. Die bis jetzt entstandenen Motortypen werden verfeinert: Ab Mai ist der Webra 1,5 mit kombiniertem Heck- und Seitenflansch lieferbar. Der Webra 2,46 erhält einen schräg stehenden Düsenstock und wird wahlweise zur Heckflanschbefestigung mit Seitenflansch (Webra 2,46 S) geliefert. Und im Juni wird der legendäre „Webra Mach 1 Renndiesel“ vorgestellt. Mit diesem, von Bodemann entwickelten Motor gelingt Webra der weltweite Durchbruch. Der Mach 1 entwickelt sich in der Folgezeit zu einem Garant für Wettbewerbssiege auf allen Gebieten des Modellbaus.

In der Juli- Ausgabe des Mechanikus 1953 teilt „Fein- und Modelltechnik“ in einer Annonce die Ergebnisse eines Preisausschreibens für den besten Werbespruch mit. Man zählt etwa 3000 Einsendungen. Der beste Spruch lautet: “Es gibt Motorenmarken viel, doch nur Webra führt zum Ziel“. In dieser Mitteilung wird auch erwähnt, dass bis zu diesem Zeitpunkt allein im Bundesgebiet rund 10 000 Motoren verkauft worden sind.

Die Qualität und die Zuverlässigkeit der Webra- Motoren zeigt sich auch bei der Freiflug- Weltmeisterschaft 1953 in Cranfield (England), wo von 100 Teilnehmern 31 Teilnehmer Webra- Motoren einsetzen.(MTS 22, S. 28)

Gemäß Katalog dieses Jahres kann man bei „Fein- und Modelltechnik“ noch das gesamte Programm der „Modelltechnik Spivey & Bragenitz“ bestellen- einschließlich der Konkurrenzmotoren von E.D. und BWM und E.D.- Radio- Fernsteuerungs- Geräte. Die Firma Johannes Graupner, Kirchheim/ Teck nimmt das gesamte Webra- Motorenprogramm in den Vertrieb auf. Auch der Versand „Flug Bufe“, Berlin- Lichterfelde vertreibt die Motoren als auch einen Teil des übrigen Lieferprogramms von „Fein- und Modelltechnik“.

1954
Im Mai kündigt Webra einen neuen Motor an. „Piccolo“ wird er genannt, denn er besitzt nur 0,98 ccm Hubraum und ist der kleinste in der Reihe der Webra- Motoren. Er ist wie geschaffen für die vom DAeC neu kreierte Freiflugklasse „L“. Im November wird der Mach 1 mit neuem Spülsystem vorgestellt. Äußerlich erkennt man den neuen Motor an den wesentlich schmäleren Auspuffschlitzen. Der Webra 2,46 erhält, wohl aus Werbegründen, einen einprägsamen Namen. Er heißt von nun an „Winner“. Aus dem gleichen Grund tauft man den Webra 1,5 auf den Namen „Record“.

Rund 2000 Motoren verlassen nun monatlich das Werk. Es müssten viel mehr sein. Aber die Firma kann nicht soviel produzieren, wie bestellt wird, obwohl die Belegschaft auf 30 Mitarbeiter angestiegen ist. (Telegraph Oktober 1954)

1955
Aus einem Briefkopf des Jahres 1955 geht das gesamte Leistungsspektrum der Firma „Fein- und Modelltechnik“ hervor:

· Webra Modelldiesel
· Feinverzahnung u. Herstellung feinmechanischer Erzeugnisse
· Import, Export, Großhandel mit Kleinmotoren und Zubehörteilen für das gesamte Modellbaugebiet
Man erkennt, dass die Produktion der Webra- Motoren nur eines der Standbeine der Firma ist.

In diesem Jahr ändert sich die Zusammensetzung der Geschäftsführung erneut: Nun ist es E. T. Spivey, der nach nur zwei Jahren Mitgliedschaft ausscheidet. (HR. 2.7.1953). Als Folge davon ändert sich auch der Firmennamen, der nun „Fein- und Modelltechnik Bragenitz & Eberth“ lautet. Der Sitz ist unverändert- Berlin- Schöneberg, Geneststraße 5. In dieser Form wird sich die Firma stabilisieren und über die Dauer von ca. sieben Jahren Bestand haben.

Im Katalog 1955 bemerkt „Fein- und Modelltechnik“ auf der ersten Seite zutreffend und mit unverhohlenem Stolz: „Die ersten Modelldieselmotoren, die serienmäßig in Deutschland gebaut wurden, waren „Webra“- Motoren. Diesen Vorsprung holt keiner so leicht ein. Die rationalisierte Fertigung von heute ermöglicht die jetzige Preisermäßigung; sie ist das Ergebnis jahrelanger Versuche, die darauf hinzielen, dem Modellbauer mehr für sein Geld zu geben. Gleichzeitig wird die „Webra“- Garantie gegen Materialfehler von 60 Tagen auf 6 Monate verlängert – der beste Beweis für die Zuverlässigkeit der „Webra“- Motoren“.

Der „Winner“ wird nun mit kombiniertem Heck- und Seitenflansch, geliefert. Außerdem gesellt sich dazu eine Variante mit zwei Vergasern (Winner RC). Damit ist, per Fernsteuerung, eine einwandfreie Umschaltung von Vollgas auf Lehrlauf und umgekehrt möglich. Am „Record“ wird werksseitig der Heckflansch ausgefeilt. Damit wird der sonst notwendige Schlitz in den Motorträgern vermieden, der häufig zum Bruch der Träger führte. Das Ändern der Spritzgussform, der eigentlich technisch sinnvollere Weg, will man offensichtlich, vermutlich aus Kostengründen, umgehen.

1956
In der ersten Hälfte des Jahres wird die gesamte Firma „Fein- und Modelltechnik“, Verwaltung und Produktion, in die Bessemerstraße 76 a, Berlin- Tempelhof, verlegt. Das Motorenprogramm wird erweitert. Der Mach 1 ist nun auch als Glühzünder zu erhalten Er wird mit einen entsprechend umgebautem Kühlkopf versehen. Der Piccolo erhält ebenfalls einen Bruder mit Glühkerze. Dabei handelt es sich um eine Neukonstruktion. Auch der Sport-Glo, ein 1,5 ccm Glühzünder ist eine vollständige Neukonstruktion. Die Vorzüge liegen im leichteren Anspringen und der einfacheren Regulierbarkeit. Mit dem Angebot will man den Wünschen der ständig wachsenden Zahl der Glühzünderanhänger entgegenkommen.

Bei der deutschen Fesselflugmeisterschaft in Bochum belegen Webra- Motoren den 1. bis 5. und 7. bis 13. Platz und bei den deutschen Freiflugmeisterschaften in Kassel werden mit Webra- Motoren Platz 1 bis 12 belegt. Dies geht aus einer Annonce im „Mechanikus“ 10. 1956 hervor, in der „Fein- und Modelltechnik“ den überzeugenden Schluss zieht: Mit Webra fliegen heißt siegen! In Italien schlägt der Mach 1 seine schärfte Konkurrenz „Super Tigre“ und kommt auf den 1. und 2. Platz. So berichtet Modell-Technik + Sport in Heft 22.

1957
Am 22. Oktober erhält „Fein- und Modelltechnik“ vom Deutschen Patentamt die Eintragung des Warenzeichens „Webra“. Das Zeichen gilt für technisch funktionsfähige Modell und deren Teile, insbesondere Kleinmotoren als Lehrmittel, wie in der Urkunde nachzulesen ist.

Bis dahin ist es aber ein mühsamer Weg, der sich über zwei Jahre hinzieht. Martin Bragenitz kennzeichnet ja von Anfang an seine Motoren mit dem Warenzeichen Webra. 1955 sieht er jedoch die Notwendigkeit, dieses Zeichen zu schützen. Das Deutsche Patentamt ist zunächst mit der Definition der zu schützenden Waren nicht einverstanden. Nach der Klärung dieser Fragen kommt es im Verlauf der Bekanntmachung zum Einspruch einer Firma aus Stuttgart mit dem ähnlich klingenden Namen „Wepra“. Deren Warenzeichen hat eine Priorität vom 7. 8. 1954. Diese Firma stellt zwar ganz andere Produkte her, dennoch, das Patentamt versagt Bragenitz die Eintragung. Begründung: Die Warenzeichen würden sich lediglich im Mittelkonsonanten, „b“ bzw. „p“, unterscheiden, die beide als Lippenverschlusslaute klanglich eng mit einander verwand sind. Dies könne zu Verwechslungen führen. Bragenitz unternimmt im August 1956 unter anderen Vorzeichen einen erneuten Versuch, der ihn schließlich zum Erfolg führt. Der Schutz gilt zunächst für die Dauer von 10 Jahren.

Das Motorenprogramm erfährt in diesem Jahr keine Veränderung. Im Zusammenhang mit der Spielwarenmesse 1957 berichtet der „Mechanikus“ in seiner April- Ausgabe treffend unter anderem: Nachdem im letzten Jahr eine so große Zahl neuer Motorentypen erschien, brauchte man jetzt nichts Neues hinzuzufügen- das Sortiment ist gut abgerundet und bietet für jeden etwas. Star ist weiterhin der Mach 1 in Diesel- und Glühzünderausführung, der schon viele Siege am Modellflughimmel in Europa und Übersee für sich verbuchen konnte.


1958
„Fein- und Modelltechnik“ stellt auf der Spielwarenmesse in Nürnberg drei neue Webra- Selbstzündermotoren vor. Das Erscheinungsbild und die Ausführungsqualität der Motoren Komet mit 2,5 ccm und Bully mit 3,5 ccm Hubraum zeugt von dem Übergang in die zweite Motorengeneration. Bodemann wechselt zur Firma Hörnlein, Vöhringen, dem Hersteller der „Taifun“- Motoren. Komet und Bully sind in ihrer Konstruktionen eng miteinander verwandt. Sie unterscheiden sich lediglich in der Dimensionierung der Laufgarnitur. Bei dem dritten auf der Messe vorgestellten Motor handelt es sich um einen Zweizylinder- Boxermotor mit 7,6 ccm Hubraum. Eigentlich ist es eine Konstruktion von Franz Ruppert, Heppenheim/ Bergstraße. Aber Fein- und Modelltechnik hat den vielversprechenden Motor in die eigene Produktionspalette aufgenommen und stellt ihn serienmäßig her. Es ist der Motor, den Karl- Heinz Stegmaier, über 10 Jahre lang deutscher Meister im RC- Kunstflug, seit der RC- Europameisterschaft 1957 fliegt. Der Motor ist mit einer Vakuumpumpe ausrüstbar und daher ideal für Pneumatik- Fernsteuerungen geeignet, wie sie Stegmaier verwendet.

Die Produktion des Winner’ s wird eingestellt. Der Komet soll ihn ersetzen.

Am 17. 04. 1958 trägt das Deutsche Patentamt auf Antrag von M. Bragenitz einen Gebrauchsmusterschutz für einen Schalldämpfer ein. Es handelt sich dabei, laut Urkunde, um eine Neuerung für Kleinverbrennungsmotoren, die darin besteht, dass die Abgase über einen Schalldämpfer abgeleitet werden anstatt, wie bisher, auf direktem Weg ins Freie zu strömen. Der Dämpfer ist aus einem Stück hergestellt. Eine Sammelkammer nimmt die Auspuffgase direkt an den Auspuffschlitzen ab und Leitbleche führen den Abgasstrom in den Auspufftopf. Damit wird insbesondere der Anteil an hohen Frequenzen des Auspuffgeräuschs erheblich reduziert. Der Dämpfer wird in das Produktionsprogramm aufgenommen. Messungen ergeben, dass er das Laufgeräusch um ca. 20 Phon dämpft- ein sehr guter Wirkungsgrad.

Das Lieferprogramm wird auch um Kraftstoffe ergänzt. Ein Selbstzünder- und ein Glühzünderkraftstoff werden angeboten. Herbert Tlach, mehrfacher deutscher Freiflugmeister, gibt seine Erfahrungen mit den Kraftstoffen in Heft 4/ 1958 der Zeitschrift „Der Flugmodellbau“ wieder. Er bescheinigt bei beiden Treibstoffen Drehzahlsteigerungen gegenüber Normalkraftstoffen. Allerdings, merkt Tlach an, führe der Glühzündersprit leicht zu Überhitzungen.

Die Fachzeitschrift „das Spielzeug“ berichtet in Heft 7/ 1958 über Spielzeug aus West- Berlin. Die Zeitschrift lässt unter anderem auch „Fein- und Modelltechnik“ zu Wort kommen. Martin Bragenitz sieht in dem Artikel auf die ersten zehn Jahre der Firma zurück und schildert anschaulich und eindrucksvoll, welchen Schwierigkeiten gerade Westberliner Firmen nach dem Kriegsende ausgesetzt waren, und wie sich die Firma trotz harter Rückschläge zu einem modernen Unternehmen entwickelt hat, die sich sogar, im Hinblick auf Modellmotoren, auf dem gesamten Weltmarkt einen bedeutenden Namen errungen hat.

1959
Auf der Spielwarenmesse stellt Fein- und Modelltechnik die Neukonstruktion eines 1,5 ccm Motor vor. Er ist als Nachfolger des Record vorgesehen, der aus der Produktion genommen wird. Der konstruktive Hauptunterschied zum alten Record liegt hauptsächlich im Hub- Bohrverhältnis. War der Record ein extremer Kurzhuber, so ist an dem neuen Record der Hub größer als der Zylinderdurchmesser (Langhuber). Der neue Motor heißt Record 2. Er hat einen rot eloxierten Kühlkopf, ist sehr sauber hergestellt und zeugt von der nun modernen Maschinenausrüstung des Herstellers (modell 11/1959). Zum ersten mal wird ein Webra- Motor mit Spinner geliefert. Bisher wurde die Luftschraube mit Unterlegscheibe und Mutter auf der Antriebswelle befestigt.

Graupner nimmt zum Ende des Jahres die Webra- Motoren aus dem Lieferprogramm.

1960
An dem vor zwei Jahren erschienenen Bully treten häufig Kurbelwellenbrüche auf. Das ist der Grund, den Motor zu überarbeiten. Die Welle wird verstärkt und zusätzlich in Kugellagern geführt. Gleichzeitig wird die Kurbelwellensteuerung durch einen Flachdrehschieber ersetzt. Der Vergaser ist nun regelbar. Somit ist der Motor auch für ferngesteuerte Modelle geeignet. Man nennt ihn „Bully 2“. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Neuerungen. Werner Thies bemerkt dazu in Heft 5/ 1960 des „Mechanikus“: „Wie beim Bully ersichtlich ist, scheint Webra zur Zeit weniger Wert auf Neukonstruktionen von Motoren zu legen, als vielmehr auf deren ständige Verbesserung.“ In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen zu sehen, die M. Bragenitz in bezug auf die Dämpfung der Eigenschwingungen eines Verbrennungsmotors unternimmt. Er gibt Anfang 1960 ein Gutachten in Auftrag, das mit der Erkenntnis endet, dass die größte Dämpfung mit einen möglichst leichten Kolben erreicht werden kann. In der oben zitierten Ausgabe des „Mechanikus“ ist zudem von umfangreichen Versuchen in der Technischen Universität Berlin die Rede, die zu wertvollen Ergebnissen geführt haben sollen.


1961
„Fein- und Modelltechnik“ stellt auf der Spielwarenmesse neben dem 5 ccm Big Ben Glühzünder zwei weitere Neuheiten der Fachwelt vor. Die erste Neuheit ist das Gegenstück zu dem Selbstzünder „Bully II“, der „Bully 2- Glo“. Bragenitz und Eberth gehen davon aus, dass der Motor von den Glühzünderanhängern gut angenommen wird, da er sehr ruhig läuft und leicht anspringt. Die zweite Neuheit ist der „Winner 2“, eine völlige Neukonstruktion in der 2,5 ccm Klasse. Er löst den, wenig erfolgreichen Komet ab, der aus der Produktion herausgenommen wird. Der Motor wird sowohl mit Normalvergaser als auch mit Drosselzusatz gefertigt.

Das Angebot bei dem Zubehör für das gesamte Modellbaugebiet ist mittlerweile umfangreich und stellt jeden Bedarf zufrieden. Es umfasst unter anderem das gesamte Schuco- Hegi- Programm, Baukästen der Firmen Heros, Muschner, - Baukästen und Beschläge für Schiffsmodelle und ein Zahnradprogramm, wie der Katalog 1961 ausführlich belegt.

In einer Anzeige im „Mechanikus“, Heft 10, 1961 wird eine neue Anschrift mitgeteilt. Der Sitz der Firma ist nun Berlin SO 36, Oranienstraße 6. Es handelt sich um den dritten Umzug der Firma. Sicher sind die Räumlichkeiten besser und größer als in der Bessemerstraße. Bei einem Umzug gelangt leider viel Material das für die Geschichte wesentlich ist, in den Mülleimer. So auch bei „Fein- und Modelltechnik, wo man nun schon die zweite Ortsveränderung durchlebt.

1962
Um neue Modellmotoren deutscher Fertigung wird es von Jahr zu Jahr stiller, berichtet der Mechanikus in seiner Ausgabe April 1962. Dies gilt auch für das Programm von „Fein- und Modelltechnik“.

Werner Martin Bragenitz scheidet nach fast 12 Jahren Mitinhaberschaft aus der Firma aus. Seit 1955, nach dem Ausscheiden von Brauer und Spivey, hat er das Unternehmen gemeinsam mit Martin Eberth im Doppel erfolgreich geleitet. Er folgt einem Angebot seines Arbeitgebers aus der Vorkriegszeit, des Großkonzerns Siemens. Der Produktname „Webra“, der von ihm stammte, verbleibt in der Firma. Martin Eberth ist nun Alleininhaber. (HR 27.9.62).

In diesem Jahr erlebt die Firma einen weiteren personellen Wechsel: Günther Bodemann verlässt den „Taifun“- Motorenhersteller Hörnlein, Vöhringen und arbeitet nun wieder bei „Fein- und Modelltechnik“ in Berlin. Der exakte Zeitpunkt seiner Rückkehr zu „Fein- und Modelltechnik“ ist nicht genau zu bestimmen. Angaben in der Zeitschrift „Aeromodeller“, Heft 1/1972 und von P. Chinn in der Zeitschrift „Das Flugmodell“ 2/ 1965 deuten jedoch darauf hin, dass Wechsel des Arbeitgebers in diesem Jahr statt gefunden haben muss. Bei „Fein- und Modelltechnik“ ist man sehr froh, dass man Bodemann zurück gewinnen konnte.

1963
Schon bald zeigt sich die Handschrift Bodemanns. Er entwickelt einen neuen Motor, der die Bezeichnung „Mach 2“ erhält. Mit dem Namen will man an die Legende des Mach I anknüpfen, obwohl der neue Motor konstruktiv nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger besitzt. Der Motor ist vielmehr aus dem Bully entwickelt worden. Äußerlich lassen sich auch Parallelen zu einer Konstruktion Bodemanns bei Hörnlein erkennen, dem Taifun „Orkan“. Bei der Entwicklung des Mach 2 berücksichtigt Bodemann die neuesten Erkenntnisse im Bau von Hochleistungsmotoren. Gleichzeitig setzt „Fein- und Modelltechnik“ mit dem Mach 2 den Schlusspunkt in der Entwicklung der klassischen Selbstzündermotoren.

Von nun an werden nur noch Glühzündermotoren entwickelt, wie zum Beispiel 1964 der Glo Star bzw. der Big Ben 2 und 1966 der Sport-Glo 1,7. 10 Jahre später, 1993, erscheinen allerdings noch einmal drei neue Selbstzünder, der SPORT 1,5 RCD, der Speed 28 RCD und der Speed 40 RCD. (Modellbaumarkt 93, FMT- Verlag, Modellflug international 3/ 95) Es handelt sich dabei um keine eigenständigen Konstruktionen, sondern vielmehr um Rückbauten von Glühzündern, die man mit einem Selbstzünder- Zylinderkopf versieht. Diese Motoren werden in der vorliegenden Arbeit nicht behandelt.

Der Kühlkopf des Mach I erhält eine Kegelform, die dem Erscheinungsbild des Bully 2 ähnelt. Im Katalog dieses Jahres weist „Fein- und Modelltechnik“ auf die neue Linie hin und Verbesserungen, die in seiner inneren Konstruktion vorgenommen wurden. Man erkennt deutlich die Handschrift des Konstrukteurs Hannemann.

Nach 1963 bis zum Ende der Selbstzünder-Epoche.

1964 bietet „Fein- und Modelltechnik“ an Selbstzündern noch den Rekord 2, den Winner 2, den Bully 2 und den Mach 2 an. Der Mach 1 wird nicht mehr hergestellt.

1967 wird die „Fein- und Modelltechnik“ Inh: M. Eberth in eine GmbH und ein Jahr später in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgen jeweils am 24. 11. 1967 bzw. am 6. 3. 1968.

Ende der sechziger Jahre wird das Leben für Günther Bodemann schwer. Er leidet unheilbar an Krebs und stirbt am 21. Oktober 1971 im Alter von 50 Jahren. Ein großer Verlust für die Firma, ist doch der weltweite Erfolg der Webra- Motoren ausschließlich auf seine Entwurfs- und Konstruktionsarbeit zurückzuführen.

Auf der Nürnberger Spielwarenmesse 1972 lernt M. Eberth den Österreicher Peter Billes kennen. Billes ist ein hervorragender Modellmotorenkonstrukteur. Er entwickelt seit etwa acht Jahren in der Patronenfabrik in Hirtenberg die allseits bekannten HP- Modellmotoren. Eberth wirbt Billes mit einem lukrativen Angebot ab, so dass er wieder über einen renommierten Konstrukteur in seiner Firma verfügt. Günstig ist es, dass Eberth in diesem Jahr in Österreich, 35 km südlich von Wien, in Enzesfeld, eine neue Niederlassung aufbaut, so dass Billes der Umzug nach Berlin erspart bleibt.

In den Jahren 1976/ 1977 gründet Martin Eberth, wohl aus wirtschaftlichen Überlegungen, in Weidenberg, Oberfranken, im bundesrepublikanischen Zonenrandgebiet gelegen, einen weiteren Standort mit dem Ziel, das Werk Berlin, das unter Platznot leidet, nach und nach aufzulösen. Weidenberg übernimmt zunächst vorrangig den Versand, aber auch die Motorenproduktion wird mehr und mehr von Berlin nach Weidenberg verlagert. Ab 1981 werden in Berlin keine Motoren mehr hergestellt. Die Auflösung des Stammhauses der „Fein- und Modelltechnik“ erfolgt im Jahr 1984.

Die Nachfrage nach Selbstzündern wird immer geringer. Sie werden nur noch in geringen Stückzahlen hergestellt. Von dem ehemals umfangreichen Angebot, das alle Bedürfnisse befriedigte, baut man lediglich noch den Record 2 und den Winner 2. Das Ende der Selbstzünderära naht. Das Schwergewicht verlagert sich auf der Produktion von Glühzündern. So kommt es, dass Fein- und Modelltechnik die letzten Selbstzünder im Jahr 1975 herstellt.


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